„So hier wären wir nun und haltet euch bitte an die Belehrungen, die im Bus vorgelesen wurde. Luke! Ich meine vor allem dich.“ Herr Flynt sah genervt zu Luke, der gerade aus dem Bus stieg.
Alle lachten und der Angesprochene sah beleidigt zu Flynt.
„Warum immer wieder ich?!“ „Wer steckte denn letztens im Observatorium zwischen den Ringen des Saturns fest?“
„Das war Bens Schuld!“ „Hä ne! Gar nicht!“ meldete sich Ben lachend zu Wort und schubste Luke aus dem Bus auf die Straße.
Brooke, die Abseits von den Anderen ihr Notizbuch und einen Stift aus dem Rucksack gekramt hatte, stand auf und sah die gläserne Fassade des riesigen Gebäudes hinauf.
Eigentlich mochte sie Großstädte und konnte sich an Wolkenkratzern und Menschen in den Straßen nicht satt sehen.
Menschen.
Tausende Menschen.
Brooke war fasziniert von ihnen.
Jeder lebte sein Leben, sah die Welt aus eigenen Augen und nur man selbst konnte die eigenen Gedanken hören. Brooke dachte oft darüber nach, wie es wohl ist, die Welt aus anderen Augen zu sehen.
Tausende Menschen treffen sich hier auf den Straßen von Arcardia und sie alle sind Fremde, müssen in ihren Schuhen weitergehen und haben ihre eigenen Probleme.
Manchmal fragte sie sich, ob andere Menschen auch über solche Dinge nachdenken, oder ob es nur eine ihrer Macken war, doch an dem Tag machte sie sich darüber keine Gedanken, denn beim Anblick des riesigen grauen Schilds wurde ihr schlecht.
B.E.A.M. dachte sie und verzog das Gesicht.
Warum müssen wir auch ausgerechnet zu B.E.A.M.?
„Alles okay?“ Brooke schrak aus ihren Gedanken, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie drehte sich um, doch anders als erwartet stand nicht Abbi sondern Jessica hinter ihr.
„Jess! Ähm… ja klar warum fragst du?“
„Vielleicht weil du guckst als wölltest du das Schild ankotzen?“ lachte die Kleinere und strich sich eine rotblonde Strähne aus dem Gesicht.
Brooke verdrehte die Augen. Sie sah über ihre Brillenränder hinweg in die Menge aus Klassenkameraden und suchte nach Abbi, die, wie es aussah, mit Bass redete.
Ihr war bewusst, dass Jess auf eine weitere Erklärung wartete.
„Was willst du?“ fragte Brooke spitz.
„Ach nichts, du siehst nur noch blässer aus als sonst … und du bist letztens eher aus der Schule gegangen. Ich mach mir nur Sorgen.“
Entnervt sah Brooke ihr in die Augen.
„…Ach komm dein Pokerface ist grottig. Abbi hat‘s dir gesagt nicht wahr?“
„Stimmt es, dass deine Mom hier gearbeitet hat!?“ Fragte Jess aufgeregt woraufhin Brookes Augen sich weiteten.
Was fiel Abbi bitte ein es Jess zu sagen?!
JESS, mit der sie eh immer ihre Probleme hatte, da die ja in allem so perfekt war, die Jeden um den Finger wickelte und der alles immer ach so leicht viel!
Brooke kniff die Augen zusammen und versuchte den Gedankenstrom zu stoppen.
Sie wusste sie sollte nicht so über Jess denken, da die eigentlich immer nett war, wahrscheinlich war Jessica deshalb auch so beliebt.
„Ich fass es nicht.“ entrüstet lehnte sich Brook gegen die Glasfassade. „Sie hat’s dir erzählt. Dir. Ich meine sie weiß-!
„Hey reg dich nicht auf, ich musste sie ganzschön nerven bis sie damit rausgerückt hat, dauerte ganze zwanzig Minuten.“
„Wow… ich bin stolz auf sie.“ Gab Brooke sarkastisch zurück.
„Wer weiß es noch?“
„Nur Allissa.“
Brooke fuhr sich übers Gesicht, woraufhin Jessica lachte.
„DU hast dir deine Freunde ausgesucht!“ „Mehr oder weniger…“ murmelte Brooke und sah mürrisch zu Abbi, die Bass gegen die Schulter schlug.
„Was?“ fragte Jess nach, da Brooke es mehr zu sich, als zu ihr gesagt hatte.
„Nichts, nichts.“ Antwortete Brooke und schien immer noch nicht ganz in der realen Welt angekommen zu sein.
Jess legte den Kopf schief. Was in Brooks Kopf wohl so vor sich ging...? Sie war ja schon immer komisch.
„BITTE ALLE HERKOMMEN! Wir haben hier die Eintrittspässe!“ Schon während sich Jess zu Flynt umdrehte, schob sich Brooke, den Rucksack geschultert, an Jessica vorbei.
Einfach unglaublich! Dachte, die einfach so stehen gelassene, Jess beleidigt und ging auch zur Gruppe. Und von ihrer Mom hat sie mir auch nichts erzählt…!
Sie stellte sich neben Abbi, die von Frau Morgan, der Physik und Chemie Lehrerin, einen Pass in die Hand gedrückt bekam, auch Jessica gab sie einen.
„Hat nichts genützt.“ Schmollte sie.
„Ich hab‘s dir doch gesagt. Sie wird nicht drüber reden.“ Murmelte Abbi und betrachtete ihren Pass.
„Argh, die haben meinen Namen schon wieder falsch geschrieben!“ Grummelte sie.
ABIGAILE PAYNE stand da geschrieben.
„Doppel B und ohne E … ist das so schwer?“
„Abbi hörst du mir überhaupt zu?“
„Ja. Sie hat dir nichts gesagt, und? Ich weiß doch auch nicht viel drüber, da denkst du, sie erzählt dir mehr?“
„Sie hat mich einfach stehen lassen!“
„Ach, du kennst sie doch…“ seufzend hing sich Abbigail den Pass um und richtete sich danach das braune Haar, während sie ihr Spiegelbild an der Glasfassade ansah.
Sie war etwas geschafft von der Nacht, da sie nach dem nervenaufreibenden Essen mit Brooke Zuhause ihre „leicht“ angeschwippste Mutter ins Bett bringen musste.
„Mom, geh jetzt endlich ins Bett!“ „Du ss-solltest doch nicht schreien.“ Säuselte ihre Mutter noch, bevor ihr die Augen zu fielen und Abbi sie zudeckte. Danach erst konnte Abbi ihren Mantel ausziehen und sich aufs Sofa fallen lassen. Lange jedoch blieb sie nicht liegen, denn sie musste noch aufwischen was ihre Mom verschüttet hatte und Lüften. Lüften, damit sie den abscheulichen Geruch von Rauch und Bier nicht mehr ertragen musste.
Sie kontrollierte im Spiegelbild also auch, ob sie ihre Augenringe gut genug vertuscht hatte, denn viel Schlaf war ihr nicht gegönnt gewesen.
„Wie hältst du das nur mit ihr aus?“ motze Jess erneut, womit sie Abbigail wieder in die echte Welt holte, doch solche Kommentare war sie schon gewohnt.
Plötzlich stach jemand Jessica in die Seite woraufhin sie quiekte.
„Bass! Ich bring dich um!“ fluchte sie und schlug dem lachenden Britten gegen den Arm.
„Wie geil! Schon das dritte Mal heute!“ freute er sich. Abbigail schmunzelte und vergaß die Gedanken an den vorherigen Abend wieder.
Herr Flynt meldete sich zu Wort:
„Bass kannst du bitte aufhören Mädchen zum Schreien zu bringen, das könnt ihr gern privat machen, aber wir wöllten jetzt gern reingehen!“
Wieder lachten alle.
Abbi sah grinsend zu Bass und Jess. Es ist sooo offensichtlich, dass er in sie verknallt ist.
Normalerweise hätte sie Brooke in die Seite gestochen und die beiden hätten darüber geredet, dass die Kupferköpfe wirklich gut zusammenpassten, doch Brooke stand nicht neben ihr.
Nun bewegten sich langsam alle in Richtung Eingang.
Nur durch Glück erspähte Abbi Brooke an einer Säule neben der Tür lehnen.
Sie ging zu ihr, so dass beide zurückblieben.
„Geht’s?“
Brooke blickt grimmig zu ihr auf.
„Ja. Super.“
Knurrte sie und sah den Anderem hinterher um nicht mit Abbi zu reden.
„Tut mir ja Leid das mit Jess, aber sie kann einen echt gut zu Dingen überreden…“ Versuchte es Abbi nochmal. „Und dafür, dass wir hier sind, kann ich doch auch nichts.“
„Ach komm lass es.“ Murmelte Brooke und wollte wirklich nicht reden.
„Sie kann einen echt gut zu Dingen überreden, bla bla bla“ Was für eine Entschuldigung dafür ihr DAS zu verraten!
ICH musste immer betteln, damit sie mir irgendwas erzählt, aber neeein Jessica erzählt sie sowas natürlich.
Jessica... Jess. Jess! Die ach so tolle wahrscheinlich neue beste Freundin, am Wochenende hat sie ja auch schon bei ihr übernachtet.
Kein Wunder, jeder liebt Jessica!
Sie und ihre beschissene Dauer-Fröhlichkeit, ihr beschissenes tolles rotes Haar, ihr gutes Aussehen und ihr verdammt nochmal nicht existenten Probleme. Sie lag nachts bestimmt noch nie heulend im Bett, wieso sollte sie auch? Alles läuft bei ihr ach so perfekt!!
…Okay. Gut, dann soll Abbi doch zu Jessica, wenn sie wieder ein Freund abserviert, wenn sie die Kette ihres Großvaters verloren hat oder wenn sie auf Depri-modus schaltet! Soll die tolle Jessica sich doch mal darum kümmern!
Während dieses Denkablaufes sah Abbi eine abwesend in die Gegend starrende Brooke an, deren einzige Anzeichen auf Leben ihr Augenzucken war, bis Abbi sich entschloss auch in das Gebäude zu gehen, um es nicht noch schlimmer zu machen.
Okay ich kann sie ja irgendwie verstehen dachte Abbi.
Ich hätte es Jess nicht sagen sollen aber sie wäre doch eh dahintergekommen, noch dazu weiß Brooke es seit drei Jahren, andere Menschen bekommen so etwas doch auch hin,
naja andere Menschen sind ja auch nicht Brooke Baker…Oh man Brooke.
Manchmal war sich Abbi nicht mal sicher ob Brooke zu menschlichen Gefühlen fähig war, aber dann kam es zu Situationen wie am Tag davor und sie kann sich keine zerbrechlichere Person vorstellen.
Richtig wäre es jedoch zu sagen: Brooke mag Gefühle nicht.
Auch wenn Abbigail Brookes beste Freundin war, war sie sich bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, was deren Kopf vorging, das wusste ja nicht mal Brooke so genau.
Diese versuchte sich draußen zusammenzureißen. Das mit ihrer Mutter zu vergessen, zu verdrängen, den Schalter um zu legen und sich einfach nur um dieses verdammte Chemieprojekt zu kümmern.
Entschlossen umklammerte sie ihr Notizbuch, atmete tief durch und ging durch die Gläserne Tür.
Eine Frau in einem weißen Kittel hielt den restlichen Schülern gerade einen Vortrag. Sie sah schrecklich streng aus, mit dem zusammengebundenen Haar und der dünnen Brille, auch die kantigen Wangenknochen trugen ihren Teil bei.
Einige von Brookes Klassenkameraden schrieben sich etwas mit, aber der Großteil stand nur teilnahmslos herum.
Um nicht aufzufallen stellte sich Brooke hinter die anderen, doch Herrn Flynts Blicken war sie nicht entgangen. Dieser klopfte ihr im Vorbeigehen auf die Schulter. Er wusste von der Sache mit ihrer Mutter, hatte sie sogar gekannt, da er ein guter Freund von Brookes Vater war.
Sie zwang sich dazu ihn anzulächeln, damit er ging.
„Und wie sie sehen“ setzte die Frau im Kittel an „haben die Förderungen, die wir nach der New York Kriese bekommen haben, dazu beigetragen das B.E.A.M. Industries sich zu einer marktführenden Forschungseinrichtung entwickelt hat.“
Das Lächeln der Frau machte Brooke irgendwie Angst, es sah so künstlich aus, als wäre ihr Gesicht auf so etwas nicht ausgelegt.
Plötzlich schnellte eine Hand aus der Menge nach oben.
„Ja?“ fragte die Frau leicht misstrauisch.
„Von wem haben sie den diese ominösen Förderungen bekommen?“
Die provoziert formulierte Frage konnte nur von einer Schülerin kommen.
Sarah Croft, dem großmäuligem Lockenkopf.
Die ganze Klasse seufzte und auch Brooke verdrehte die Augen. Sarah hatte wahrscheinlich ein extremes Aufmerksamkeitsdefizit. Laut Brooke beruhte dieses auf der Verhätschelung durch ihre Eltern, denn Sarah war das jüngste von vier Kindern.
Als wäre diese ständige Aufmerksamkeits-Hascherei für die Klasse nicht schon schlimm genug, hatte sie auch noch eine große Klappe.
„Bitte was?“ der Blick der Frau verdüsterte sich.
„Ich habe gefragt, woher diese Förderungen kamen. Offiziell wurde noch nie ein genauer Name genannt.“
„Oh, die junge Dame hat sich wohl zu viel auf diesen Verschwörungswebsites herumgetrieben, was?“
Lachend wand die Frau sich an zu einer Kollegin an der Rezeption, sie ebenfalls nur darüber schmunzelte.
Brooke sah leicht beleidigt von ihrem Notizbuch auf, da auch sie manchmal auf solchen Seiten war. Nach diesem Denkanstoß von Sarah fiel ihr auch wieder ein, welche Verschwörungstheorien die große Runde durch die Presse gemacht hatten.
B.E.A.M. soll an „geheimen Projekten“ für ihre unbekannten Wohltäter arbeiten, noch kurioser sind aber die Theorien, wer die Wohltäter sind. Einige sagen es ist das Militär, andere hängen es denen an, die für die NewYork-Krise verantwortlich gewesen sein sollen, weil diese weitere Großraumanschläge verüben wollen und deshalb B.E.A.M.s Forschungsarbeiten brauchten und wie bei jeder guten Verschwörung durften Illuminaten ja auch nicht fehlen.
B.E.A.M.s Ruf hatte damals sehr gelitten, aber nachdem ihre Arbeit Kindern in Afrika half, war die Weste selbstverständlich wieder strahlend weiß. Das alles war natürlich nur die überspitzte Kurzform der schlagebensten Ereignisse, die durch Brookes Kopf schnellten.
„Du kannst dir jedenfalls sicher sein, dass Alles mit rechten Dingen zugeht. Für Leute in deinem Alter kann so etwas natürlich sehr verwirrend sein, aber keine Angst - Im Fragebogen wird so etwas nicht auftauchen.“
„Aber-„ wollte Sarah entgegnen, doch Wayne redete dazwischen.
„Boar, sei einfach still ey!“ rief er, woraufhin natürlich alle anderen Jungs der Klasse miteinstimmten.
„Man wie dumm kann man sein!“ „Die ist so blöd!“ „Halt einfach die Fresse!“
„Hey, hey, hey! Mister Saturn ist jetzt bitte mal ganz ruhig!“ kam es von Flynt, nachdem auch Luke etwas grölte.
Brooke sah genervt zu dem Haufen der „coolen Jungs“. Es waren wie immer die „typischen Sieben“ die ihre Kommentare abgeben, ganz vorne dabei: Philipp Wayne, der reiche Angeber stand an erster Stelle der Rangliste, kurz darauf folgte Tony – sein persönlicher Schoßhund wie Brooke ihn gerne nannte.
Brooke malte sich aus, was für Selbstzweifel Tony haben musste, um sich Wayne unterzuordnen…
Tony könnte locker auch „Chef“ der Gang sein, ist immer laut, hat oft Beleidigungen parat und ist auch kein Schwächling, dennoch spielt er Schoßhund und grölt mit.
So wenig sie Sarah auch leiden konnte, so nervig sie auch war, musste Brooke zugeben, dass Sarah etwas gar nicht so Dummes angesprochen hatte.
Wäre Brooke in größeren Gruppen nicht so schrecklich mundscheu, hätte sie wahrscheinlich auch nachgebohrt, doch sie wollte nicht zu einer noch größeren Zielscheibe, werden als sie so schon war.
Die Kittelfrau räusperte sich, um die Aufmerksamkeit der Gruppe wieder zu erlangen.
„Wir würden nun in den Forschungsbereich gehen. Fassen sie nichts an und stören sie bitte die restlichen Mitarbeiter nicht.“
Sie betrachtete noch einmal verächtlich die Klasse. Vor allem Sven und Ben die sich die ganze Zeit gegen die Schultern schlugen. Brooke verfolgte den Blick der Frau und grinste über die beiden. Sie mochte die Zwillinge und das obwohl sie „Teil der typischen Sieben“ waren.
Notiz an mich: Irgendwann brauchen sie Lederjacken, auf denen so ein Name draufsteht. Dachte Brooke schmunzelnd.
Alle Mädchen fanden es unglaublich süß, wie die Zwillinge immer zusammenhielten…auch wenn sie sich oft stichelten und nervig sein konnten.
Sven war der Ruhigere von beiden und der, der später mal die Mädels abkriegen würde. Abbi und Brooke sprachen immer von später, da die Stark Brüder recht klein und etwas grün hinter den Ohren waren. Ein Fremder würde sie nicht unbedingt für Zwillinge halten.
Abgesehen von den Augen konnte man sie gut unterscheiden, auch Bens hohe Locke war unverwechselbar. Ben war der Kindischste der Jungs und blödelte immer rum, machte Leute nach und hatte ein unglaublich ansteckendes Lachen.
Brooke mochte auch die positive, optimistische Art der Beiden, die ihr selbst meist fehlte. Die Fröhlichkeit der Starks war nicht so nervig und aufdringlich wie die von Jessica.
Schließlich schleuste die Frau, sie an der Rezeption vorbei, über eine Treppe in die Labore. Die Gruppe ging an etlichen Türen vorbei. Alles war weiß und es lag ein ekelhaft chemischer Geruch in der Luft, es wirkte wie ein riesiges immer gleiches Labyrinth. Durch eine große Tür gelangten sie in eine Halle mit mehreren Labortischen.
Brooke fühlte sich trotz des Verdrängens der Sache mit ihrer Mutter unfassbar unwohl in diesen Räumen und während sie etwas abwesend den anderen hinterher lief, stieß sie mit einem Jungen im Laborkittel zusammen, der nur etwas älter zu sein schien als sie. „Augen auf Mädel!“ motzte er und ging gleich weiter. Brooke hatte gar nicht realisiert was passiert war, da war der Typ auch schon weg. Wie ist der den drauf?
Schnell ging sie wieder zu den Anderen.
Die Klasse formierte sich vor einem Tisch auf dem sich viele Reagenzgläser, bunte Flüssigkeiten und Brenner befanden. Erst bemerkte Brooke gar nicht, dass Abbi hinter ihr stand, doch als sie das braune Haar hinter sich erblickte, wurde sie aufmunternd angelächelt.
Brooke lächelte unbehaglich zurück.
Wenn es etwas an Brooke gab, was Abbi mochte, war es, dass man sich mit ihr nicht lange streiten konnte.
Die unsympathische Schreckschraube übergab die Klasse an einen älteren Herren , dessen dünnes Haar schon ergraut war.
Nach kurzem Geflüster der beiden ging die Frau und alle waren darüber recht froh.
„So.“ begann der alte Herr lachend. „Mein Name ist Professor Dr. Dr. Zymnie. Ich leite einige große Projekte, aber ich möchte euch ja nicht mit zu viel Fachchinesisch langweilen.“
Brooke grinste. Sie mochte den alten Herrn.
„Mit dem Vortrag über diese Einrichtung hat euch Frau Hedwick ja bestimmt schon ein Ohr abgekaut. Wir fangen lieber mit dem Experiment an, danach könnt ihr euch etwas umsehen und die Blätter ausfüllen. Wer würde mir den gerne assestieren?“
Sofort schnellte Bens Hand aus der Menge nach oben. „Na dann komm mal her Junge.“
Herr Professor Dr. Dr. Zymnie winkte ihn zu sich und hinter der Theke führten sie zwei Experimente durch, von denen Brooke trotz der Erklärung nicht ansatzweise etwas verstand.
Wie war das mit Fachchinesisch? Fragte sie sich in Gedanken selbst genervt und schrieb einfach auf, dass ein buntes Glühen zu sehen war.
Ben hatte Spaß daran verschiedene Stoffe über den Brenner zu halten, die Zymnie dann durch eine Reagenzglas-Konstruktion jagte, doch als es dann mit den verschiedenen Flüssigkeiten weitergehen sollte schickte ihn Zymnie wieder in die Masse, während ein Praktikant die Gläser in ein anderes Labor schaffen sollte. Brooke erkannte ihn als den Jungen wieder, in den sie reingerannt war. Jetzt sah sie auch sein Gesicht. Er ähnelte einem Wiesel und war gebräunt, auf Brooke wirkte er nicht wirklich freundlich.
Zurück kam er mit festen Stoffen, die aus den Flüssigkeiten geworden sein sollen. Zymnie erklärte das es nachhaltigere Rohstoffe währen, nur das Verfahren sie herzustellen noch zu aufwendig sei, um altbewährte Rohstoffe abzulösen.
Während dieser halbstündigen Vorführung ist Brooke komplett verzweifelt, doch da Daniel Marley, der Klassenbeste, vor ihr stand, schielte sie hin und wieder auf sein Blatt.
„Hat noch jemand fragen?“ kam es von Professor Dr. Dr. Zymnie, der den Praktikanten das Experiment aufräumen ließ.
Brooke sah auf ihr halbleeres Blatt.
Ich frag Daniel dann nochmal persönlich…
Gerade als Bob, das Schwergewicht der Klasse, seine Frage stellte, fing eine Sirene an ohrenbetäubend laut zu kreischen.
Alle lachten und der Angesprochene sah beleidigt zu Flynt.
„Warum immer wieder ich?!“ „Wer steckte denn letztens im Observatorium zwischen den Ringen des Saturns fest?“
„Das war Bens Schuld!“ „Hä ne! Gar nicht!“ meldete sich Ben lachend zu Wort und schubste Luke aus dem Bus auf die Straße.
Brooke, die Abseits von den Anderen ihr Notizbuch und einen Stift aus dem Rucksack gekramt hatte, stand auf und sah die gläserne Fassade des riesigen Gebäudes hinauf.
Eigentlich mochte sie Großstädte und konnte sich an Wolkenkratzern und Menschen in den Straßen nicht satt sehen.
Menschen.
Tausende Menschen.
Brooke war fasziniert von ihnen.
Jeder lebte sein Leben, sah die Welt aus eigenen Augen und nur man selbst konnte die eigenen Gedanken hören. Brooke dachte oft darüber nach, wie es wohl ist, die Welt aus anderen Augen zu sehen.
Tausende Menschen treffen sich hier auf den Straßen von Arcardia und sie alle sind Fremde, müssen in ihren Schuhen weitergehen und haben ihre eigenen Probleme.
Manchmal fragte sie sich, ob andere Menschen auch über solche Dinge nachdenken, oder ob es nur eine ihrer Macken war, doch an dem Tag machte sie sich darüber keine Gedanken, denn beim Anblick des riesigen grauen Schilds wurde ihr schlecht.
B.E.A.M. dachte sie und verzog das Gesicht.
Warum müssen wir auch ausgerechnet zu B.E.A.M.?
„Alles okay?“ Brooke schrak aus ihren Gedanken, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie drehte sich um, doch anders als erwartet stand nicht Abbi sondern Jessica hinter ihr.
„Jess! Ähm… ja klar warum fragst du?“
„Vielleicht weil du guckst als wölltest du das Schild ankotzen?“ lachte die Kleinere und strich sich eine rotblonde Strähne aus dem Gesicht.
Brooke verdrehte die Augen. Sie sah über ihre Brillenränder hinweg in die Menge aus Klassenkameraden und suchte nach Abbi, die, wie es aussah, mit Bass redete.
Ihr war bewusst, dass Jess auf eine weitere Erklärung wartete.
„Was willst du?“ fragte Brooke spitz.
„Ach nichts, du siehst nur noch blässer aus als sonst … und du bist letztens eher aus der Schule gegangen. Ich mach mir nur Sorgen.“
Entnervt sah Brooke ihr in die Augen.
„…Ach komm dein Pokerface ist grottig. Abbi hat‘s dir gesagt nicht wahr?“
„Stimmt es, dass deine Mom hier gearbeitet hat!?“ Fragte Jess aufgeregt woraufhin Brookes Augen sich weiteten.
Was fiel Abbi bitte ein es Jess zu sagen?!
JESS, mit der sie eh immer ihre Probleme hatte, da die ja in allem so perfekt war, die Jeden um den Finger wickelte und der alles immer ach so leicht viel!
Brooke kniff die Augen zusammen und versuchte den Gedankenstrom zu stoppen.
Sie wusste sie sollte nicht so über Jess denken, da die eigentlich immer nett war, wahrscheinlich war Jessica deshalb auch so beliebt.
„Ich fass es nicht.“ entrüstet lehnte sich Brook gegen die Glasfassade. „Sie hat’s dir erzählt. Dir. Ich meine sie weiß-!
„Hey reg dich nicht auf, ich musste sie ganzschön nerven bis sie damit rausgerückt hat, dauerte ganze zwanzig Minuten.“
„Wow… ich bin stolz auf sie.“ Gab Brooke sarkastisch zurück.
„Wer weiß es noch?“
„Nur Allissa.“
Brooke fuhr sich übers Gesicht, woraufhin Jessica lachte.
„DU hast dir deine Freunde ausgesucht!“ „Mehr oder weniger…“ murmelte Brooke und sah mürrisch zu Abbi, die Bass gegen die Schulter schlug.
„Was?“ fragte Jess nach, da Brooke es mehr zu sich, als zu ihr gesagt hatte.
„Nichts, nichts.“ Antwortete Brooke und schien immer noch nicht ganz in der realen Welt angekommen zu sein.
Jess legte den Kopf schief. Was in Brooks Kopf wohl so vor sich ging...? Sie war ja schon immer komisch.
„BITTE ALLE HERKOMMEN! Wir haben hier die Eintrittspässe!“ Schon während sich Jess zu Flynt umdrehte, schob sich Brooke, den Rucksack geschultert, an Jessica vorbei.
Einfach unglaublich! Dachte, die einfach so stehen gelassene, Jess beleidigt und ging auch zur Gruppe. Und von ihrer Mom hat sie mir auch nichts erzählt…!
Sie stellte sich neben Abbi, die von Frau Morgan, der Physik und Chemie Lehrerin, einen Pass in die Hand gedrückt bekam, auch Jessica gab sie einen.
„Hat nichts genützt.“ Schmollte sie.
„Ich hab‘s dir doch gesagt. Sie wird nicht drüber reden.“ Murmelte Abbi und betrachtete ihren Pass.
„Argh, die haben meinen Namen schon wieder falsch geschrieben!“ Grummelte sie.
ABIGAILE PAYNE stand da geschrieben.
„Doppel B und ohne E … ist das so schwer?“
„Abbi hörst du mir überhaupt zu?“
„Ja. Sie hat dir nichts gesagt, und? Ich weiß doch auch nicht viel drüber, da denkst du, sie erzählt dir mehr?“
„Sie hat mich einfach stehen lassen!“
„Ach, du kennst sie doch…“ seufzend hing sich Abbigail den Pass um und richtete sich danach das braune Haar, während sie ihr Spiegelbild an der Glasfassade ansah.
Sie war etwas geschafft von der Nacht, da sie nach dem nervenaufreibenden Essen mit Brooke Zuhause ihre „leicht“ angeschwippste Mutter ins Bett bringen musste.
„Mom, geh jetzt endlich ins Bett!“ „Du ss-solltest doch nicht schreien.“ Säuselte ihre Mutter noch, bevor ihr die Augen zu fielen und Abbi sie zudeckte. Danach erst konnte Abbi ihren Mantel ausziehen und sich aufs Sofa fallen lassen. Lange jedoch blieb sie nicht liegen, denn sie musste noch aufwischen was ihre Mom verschüttet hatte und Lüften. Lüften, damit sie den abscheulichen Geruch von Rauch und Bier nicht mehr ertragen musste.
Sie kontrollierte im Spiegelbild also auch, ob sie ihre Augenringe gut genug vertuscht hatte, denn viel Schlaf war ihr nicht gegönnt gewesen.
„Wie hältst du das nur mit ihr aus?“ motze Jess erneut, womit sie Abbigail wieder in die echte Welt holte, doch solche Kommentare war sie schon gewohnt.
Plötzlich stach jemand Jessica in die Seite woraufhin sie quiekte.
„Bass! Ich bring dich um!“ fluchte sie und schlug dem lachenden Britten gegen den Arm.
„Wie geil! Schon das dritte Mal heute!“ freute er sich. Abbigail schmunzelte und vergaß die Gedanken an den vorherigen Abend wieder.
Herr Flynt meldete sich zu Wort:
„Bass kannst du bitte aufhören Mädchen zum Schreien zu bringen, das könnt ihr gern privat machen, aber wir wöllten jetzt gern reingehen!“
Wieder lachten alle.
Abbi sah grinsend zu Bass und Jess. Es ist sooo offensichtlich, dass er in sie verknallt ist.
Normalerweise hätte sie Brooke in die Seite gestochen und die beiden hätten darüber geredet, dass die Kupferköpfe wirklich gut zusammenpassten, doch Brooke stand nicht neben ihr.
Nun bewegten sich langsam alle in Richtung Eingang.
Nur durch Glück erspähte Abbi Brooke an einer Säule neben der Tür lehnen.
Sie ging zu ihr, so dass beide zurückblieben.
„Geht’s?“
Brooke blickt grimmig zu ihr auf.
„Ja. Super.“
Knurrte sie und sah den Anderem hinterher um nicht mit Abbi zu reden.
„Tut mir ja Leid das mit Jess, aber sie kann einen echt gut zu Dingen überreden…“ Versuchte es Abbi nochmal. „Und dafür, dass wir hier sind, kann ich doch auch nichts.“
„Ach komm lass es.“ Murmelte Brooke und wollte wirklich nicht reden.
„Sie kann einen echt gut zu Dingen überreden, bla bla bla“ Was für eine Entschuldigung dafür ihr DAS zu verraten!
ICH musste immer betteln, damit sie mir irgendwas erzählt, aber neeein Jessica erzählt sie sowas natürlich.
Jessica... Jess. Jess! Die ach so tolle wahrscheinlich neue beste Freundin, am Wochenende hat sie ja auch schon bei ihr übernachtet.
Kein Wunder, jeder liebt Jessica!
Sie und ihre beschissene Dauer-Fröhlichkeit, ihr beschissenes tolles rotes Haar, ihr gutes Aussehen und ihr verdammt nochmal nicht existenten Probleme. Sie lag nachts bestimmt noch nie heulend im Bett, wieso sollte sie auch? Alles läuft bei ihr ach so perfekt!!
…Okay. Gut, dann soll Abbi doch zu Jessica, wenn sie wieder ein Freund abserviert, wenn sie die Kette ihres Großvaters verloren hat oder wenn sie auf Depri-modus schaltet! Soll die tolle Jessica sich doch mal darum kümmern!
Während dieses Denkablaufes sah Abbi eine abwesend in die Gegend starrende Brooke an, deren einzige Anzeichen auf Leben ihr Augenzucken war, bis Abbi sich entschloss auch in das Gebäude zu gehen, um es nicht noch schlimmer zu machen.
Okay ich kann sie ja irgendwie verstehen dachte Abbi.
Ich hätte es Jess nicht sagen sollen aber sie wäre doch eh dahintergekommen, noch dazu weiß Brooke es seit drei Jahren, andere Menschen bekommen so etwas doch auch hin,
naja andere Menschen sind ja auch nicht Brooke Baker…Oh man Brooke.
Manchmal war sich Abbi nicht mal sicher ob Brooke zu menschlichen Gefühlen fähig war, aber dann kam es zu Situationen wie am Tag davor und sie kann sich keine zerbrechlichere Person vorstellen.
Richtig wäre es jedoch zu sagen: Brooke mag Gefühle nicht.
Auch wenn Abbigail Brookes beste Freundin war, war sie sich bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, was deren Kopf vorging, das wusste ja nicht mal Brooke so genau.
Diese versuchte sich draußen zusammenzureißen. Das mit ihrer Mutter zu vergessen, zu verdrängen, den Schalter um zu legen und sich einfach nur um dieses verdammte Chemieprojekt zu kümmern.
Entschlossen umklammerte sie ihr Notizbuch, atmete tief durch und ging durch die Gläserne Tür.
Eine Frau in einem weißen Kittel hielt den restlichen Schülern gerade einen Vortrag. Sie sah schrecklich streng aus, mit dem zusammengebundenen Haar und der dünnen Brille, auch die kantigen Wangenknochen trugen ihren Teil bei.
Einige von Brookes Klassenkameraden schrieben sich etwas mit, aber der Großteil stand nur teilnahmslos herum.
Um nicht aufzufallen stellte sich Brooke hinter die anderen, doch Herrn Flynts Blicken war sie nicht entgangen. Dieser klopfte ihr im Vorbeigehen auf die Schulter. Er wusste von der Sache mit ihrer Mutter, hatte sie sogar gekannt, da er ein guter Freund von Brookes Vater war.
Sie zwang sich dazu ihn anzulächeln, damit er ging.
„Und wie sie sehen“ setzte die Frau im Kittel an „haben die Förderungen, die wir nach der New York Kriese bekommen haben, dazu beigetragen das B.E.A.M. Industries sich zu einer marktführenden Forschungseinrichtung entwickelt hat.“
Das Lächeln der Frau machte Brooke irgendwie Angst, es sah so künstlich aus, als wäre ihr Gesicht auf so etwas nicht ausgelegt.
Plötzlich schnellte eine Hand aus der Menge nach oben.
„Ja?“ fragte die Frau leicht misstrauisch.
„Von wem haben sie den diese ominösen Förderungen bekommen?“
Die provoziert formulierte Frage konnte nur von einer Schülerin kommen.
Sarah Croft, dem großmäuligem Lockenkopf.
Die ganze Klasse seufzte und auch Brooke verdrehte die Augen. Sarah hatte wahrscheinlich ein extremes Aufmerksamkeitsdefizit. Laut Brooke beruhte dieses auf der Verhätschelung durch ihre Eltern, denn Sarah war das jüngste von vier Kindern.
Als wäre diese ständige Aufmerksamkeits-Hascherei für die Klasse nicht schon schlimm genug, hatte sie auch noch eine große Klappe.
„Bitte was?“ der Blick der Frau verdüsterte sich.
„Ich habe gefragt, woher diese Förderungen kamen. Offiziell wurde noch nie ein genauer Name genannt.“
„Oh, die junge Dame hat sich wohl zu viel auf diesen Verschwörungswebsites herumgetrieben, was?“
Lachend wand die Frau sich an zu einer Kollegin an der Rezeption, sie ebenfalls nur darüber schmunzelte.
Brooke sah leicht beleidigt von ihrem Notizbuch auf, da auch sie manchmal auf solchen Seiten war. Nach diesem Denkanstoß von Sarah fiel ihr auch wieder ein, welche Verschwörungstheorien die große Runde durch die Presse gemacht hatten.
B.E.A.M. soll an „geheimen Projekten“ für ihre unbekannten Wohltäter arbeiten, noch kurioser sind aber die Theorien, wer die Wohltäter sind. Einige sagen es ist das Militär, andere hängen es denen an, die für die NewYork-Krise verantwortlich gewesen sein sollen, weil diese weitere Großraumanschläge verüben wollen und deshalb B.E.A.M.s Forschungsarbeiten brauchten und wie bei jeder guten Verschwörung durften Illuminaten ja auch nicht fehlen.
B.E.A.M.s Ruf hatte damals sehr gelitten, aber nachdem ihre Arbeit Kindern in Afrika half, war die Weste selbstverständlich wieder strahlend weiß. Das alles war natürlich nur die überspitzte Kurzform der schlagebensten Ereignisse, die durch Brookes Kopf schnellten.
„Du kannst dir jedenfalls sicher sein, dass Alles mit rechten Dingen zugeht. Für Leute in deinem Alter kann so etwas natürlich sehr verwirrend sein, aber keine Angst - Im Fragebogen wird so etwas nicht auftauchen.“
„Aber-„ wollte Sarah entgegnen, doch Wayne redete dazwischen.
„Boar, sei einfach still ey!“ rief er, woraufhin natürlich alle anderen Jungs der Klasse miteinstimmten.
„Man wie dumm kann man sein!“ „Die ist so blöd!“ „Halt einfach die Fresse!“
„Hey, hey, hey! Mister Saturn ist jetzt bitte mal ganz ruhig!“ kam es von Flynt, nachdem auch Luke etwas grölte.
Brooke sah genervt zu dem Haufen der „coolen Jungs“. Es waren wie immer die „typischen Sieben“ die ihre Kommentare abgeben, ganz vorne dabei: Philipp Wayne, der reiche Angeber stand an erster Stelle der Rangliste, kurz darauf folgte Tony – sein persönlicher Schoßhund wie Brooke ihn gerne nannte.
Brooke malte sich aus, was für Selbstzweifel Tony haben musste, um sich Wayne unterzuordnen…
Tony könnte locker auch „Chef“ der Gang sein, ist immer laut, hat oft Beleidigungen parat und ist auch kein Schwächling, dennoch spielt er Schoßhund und grölt mit.
So wenig sie Sarah auch leiden konnte, so nervig sie auch war, musste Brooke zugeben, dass Sarah etwas gar nicht so Dummes angesprochen hatte.
Wäre Brooke in größeren Gruppen nicht so schrecklich mundscheu, hätte sie wahrscheinlich auch nachgebohrt, doch sie wollte nicht zu einer noch größeren Zielscheibe, werden als sie so schon war.
Die Kittelfrau räusperte sich, um die Aufmerksamkeit der Gruppe wieder zu erlangen.
„Wir würden nun in den Forschungsbereich gehen. Fassen sie nichts an und stören sie bitte die restlichen Mitarbeiter nicht.“
Sie betrachtete noch einmal verächtlich die Klasse. Vor allem Sven und Ben die sich die ganze Zeit gegen die Schultern schlugen. Brooke verfolgte den Blick der Frau und grinste über die beiden. Sie mochte die Zwillinge und das obwohl sie „Teil der typischen Sieben“ waren.
Notiz an mich: Irgendwann brauchen sie Lederjacken, auf denen so ein Name draufsteht. Dachte Brooke schmunzelnd.
Alle Mädchen fanden es unglaublich süß, wie die Zwillinge immer zusammenhielten…auch wenn sie sich oft stichelten und nervig sein konnten.
Sven war der Ruhigere von beiden und der, der später mal die Mädels abkriegen würde. Abbi und Brooke sprachen immer von später, da die Stark Brüder recht klein und etwas grün hinter den Ohren waren. Ein Fremder würde sie nicht unbedingt für Zwillinge halten.
Abgesehen von den Augen konnte man sie gut unterscheiden, auch Bens hohe Locke war unverwechselbar. Ben war der Kindischste der Jungs und blödelte immer rum, machte Leute nach und hatte ein unglaublich ansteckendes Lachen.
Brooke mochte auch die positive, optimistische Art der Beiden, die ihr selbst meist fehlte. Die Fröhlichkeit der Starks war nicht so nervig und aufdringlich wie die von Jessica.
Schließlich schleuste die Frau, sie an der Rezeption vorbei, über eine Treppe in die Labore. Die Gruppe ging an etlichen Türen vorbei. Alles war weiß und es lag ein ekelhaft chemischer Geruch in der Luft, es wirkte wie ein riesiges immer gleiches Labyrinth. Durch eine große Tür gelangten sie in eine Halle mit mehreren Labortischen.
Brooke fühlte sich trotz des Verdrängens der Sache mit ihrer Mutter unfassbar unwohl in diesen Räumen und während sie etwas abwesend den anderen hinterher lief, stieß sie mit einem Jungen im Laborkittel zusammen, der nur etwas älter zu sein schien als sie. „Augen auf Mädel!“ motzte er und ging gleich weiter. Brooke hatte gar nicht realisiert was passiert war, da war der Typ auch schon weg. Wie ist der den drauf?
Schnell ging sie wieder zu den Anderen.
Die Klasse formierte sich vor einem Tisch auf dem sich viele Reagenzgläser, bunte Flüssigkeiten und Brenner befanden. Erst bemerkte Brooke gar nicht, dass Abbi hinter ihr stand, doch als sie das braune Haar hinter sich erblickte, wurde sie aufmunternd angelächelt.
Brooke lächelte unbehaglich zurück.
Wenn es etwas an Brooke gab, was Abbi mochte, war es, dass man sich mit ihr nicht lange streiten konnte.
Die unsympathische Schreckschraube übergab die Klasse an einen älteren Herren , dessen dünnes Haar schon ergraut war.
Nach kurzem Geflüster der beiden ging die Frau und alle waren darüber recht froh.
„So.“ begann der alte Herr lachend. „Mein Name ist Professor Dr. Dr. Zymnie. Ich leite einige große Projekte, aber ich möchte euch ja nicht mit zu viel Fachchinesisch langweilen.“
Brooke grinste. Sie mochte den alten Herrn.
„Mit dem Vortrag über diese Einrichtung hat euch Frau Hedwick ja bestimmt schon ein Ohr abgekaut. Wir fangen lieber mit dem Experiment an, danach könnt ihr euch etwas umsehen und die Blätter ausfüllen. Wer würde mir den gerne assestieren?“
Sofort schnellte Bens Hand aus der Menge nach oben. „Na dann komm mal her Junge.“
Herr Professor Dr. Dr. Zymnie winkte ihn zu sich und hinter der Theke führten sie zwei Experimente durch, von denen Brooke trotz der Erklärung nicht ansatzweise etwas verstand.
Wie war das mit Fachchinesisch? Fragte sie sich in Gedanken selbst genervt und schrieb einfach auf, dass ein buntes Glühen zu sehen war.
Ben hatte Spaß daran verschiedene Stoffe über den Brenner zu halten, die Zymnie dann durch eine Reagenzglas-Konstruktion jagte, doch als es dann mit den verschiedenen Flüssigkeiten weitergehen sollte schickte ihn Zymnie wieder in die Masse, während ein Praktikant die Gläser in ein anderes Labor schaffen sollte. Brooke erkannte ihn als den Jungen wieder, in den sie reingerannt war. Jetzt sah sie auch sein Gesicht. Er ähnelte einem Wiesel und war gebräunt, auf Brooke wirkte er nicht wirklich freundlich.
Zurück kam er mit festen Stoffen, die aus den Flüssigkeiten geworden sein sollen. Zymnie erklärte das es nachhaltigere Rohstoffe währen, nur das Verfahren sie herzustellen noch zu aufwendig sei, um altbewährte Rohstoffe abzulösen.
Während dieser halbstündigen Vorführung ist Brooke komplett verzweifelt, doch da Daniel Marley, der Klassenbeste, vor ihr stand, schielte sie hin und wieder auf sein Blatt.
„Hat noch jemand fragen?“ kam es von Professor Dr. Dr. Zymnie, der den Praktikanten das Experiment aufräumen ließ.
Brooke sah auf ihr halbleeres Blatt.
Ich frag Daniel dann nochmal persönlich…
Gerade als Bob, das Schwergewicht der Klasse, seine Frage stellte, fing eine Sirene an ohrenbetäubend laut zu kreischen.