Von der Sonne sah man kaum noch mehr als ein paar grelle Wolken hinter den dunklen Bäumen des Parks, als sich auch schon Stück für Stück die Straßenlaternen anschalten um die sonstige Dunkelheit zu verdrängen.
Die rote Leuchtschrift von Roxy’s Diner leuchtete flackernd und der Laden war nur noch spärlich beleuchtet, da trotz der späten Stunde zwei Gäste am Tisch vor dem großen Fenster saßen.
Es waren zwei Mädchen. Die eine saß mit verschränkten Armen da und wirke, als würde sie genervt auf etwas warten. Sie sah mit dem glatten braunen Haar weitaus erwachsener aus als die andere und auch ihr restliches Auftreten wirkte deutlich gesetzter, dennoch ließ sie den kritischen Blick nicht von der anderen ab.
Diese sah ungeordneter aus, trug ihr schwarzes Haar zu einem zerzausten Dutt, in dem ein Bleistift steckte und ihre Kleidung sah bequemer aus als die ihrer Begleitung.
Die Schwarzhaarige war noch damit beschäftigt ihre Spagetti zu Essen und wollte so den Blick der anderen entgehen, doch merkte genau wie er auf ihr ruhte und um die unangenehme Stimmung etwas auf zu lockern, entschied sie sich dazu ein Gespräch zu beginnen
„Also die schmecken heute irgendwie anders.“ Sagte sie, während sie noch etwas im Mund hatte, im Plauderton und deutete mit der Gabel auf den Teller. „Als wären die heute mehr gewürzt, vielleicht ha-“
„Redest du gerade ernsthaft über Gewürze?“ unterbrach sie die andere gereizt und hob bedrohlich die Augenbrauen.
„Ähm…“ Sie überlegte kurz, was sie zur Antwort geben sollte und legte die Stirn in Falten. Sie versuchte es mit einem zögerlichem:
„…Nein?“
„Brooke!“ fluchte ihr Gegenüber und ballte die Faust, doch riss sich zusammen nicht auf den Tisch zu schlagen.
Brooke bedauerte es ein Gespräch angefangen zu haben und verdrehte die Augen. Warum macht Abbigail auch so eine Sache daraus?
„Okay was genau ist denn bitte dein Problem?“ fragte Brooke und legte die Gabel beiseite, da ihr der Appetit vergangen war.
„Willst du mich verarschen?“ In solchem Momenten konnte Abbigail Brookes Macke nicht über Persönliches reden zu können kein bisschen ausstehen.
„Musst du mir heute so viele Funfragen stellen?“ gab Brooke gequält zurück und schob ihre Brille nach oben. Als Abbi ein kleines Schmunzeln auf ihrem Gesicht sah, hätte sie es ihr unglaublich gern ausgeprügelt.
„Brooke das ist kein bisschen witzig!“
„Aber was willst du denn hören?!“ Da nun auch Brooke ihre Stimme erhob, lehnte sich Abbi zurück und fuhr sich übers Gesicht. „Du bist deswegen heute umgekippt, also …kannst du bitte einfach darüber reden?“
„Warum!?“
„Weil ich mir vielleicht Sorgen mache!? Flynt sagte du hattest einen Panikanfall als er da-“
„Falsch.“ Unterbrach Brooke sie leise und sah aus dem Fenster.
Abbi verstand nicht was sie meinte. „Was?“ fragte sie scharf.
„Falsch.“ Erklärte Brooke und wand sich wieder zu Abbi. „Es war ein Nervenzusammenbruch, kein Panikanfall.“
Abbi sah sie mit geweiteten Augen und bösem Blick an.
„Nur ein kleiner.“ Erklärte Brooke schnell.
„Das macht es nicht besser!“
Brooke ließ sich genervt gegen die Lehne fallen. „Du kannst dir doch wohl denken was los war.“ Grummelte sie, verschränkte die Arme und sah nach draußen wo der scharfe Wind die Blätter zittern ließ.
Abbi seufzte.
„Also war es wegen dem Chemieausflug?“
„Wegen was den bitte sonst?!“ fragte Brooke gereizt zurück.
„Verdammt, ich kann doch auch nur raten!!“ fauchte Abbi und schlug mit der geballten Faust auf den Tisch.
…
„Quatsch, das war nicht geraten.“ Murmelte Brooke und schüttelte einigen Gedanken nachhängend den Kopf. Abbigail kam es vor als hätte ihre Freundin nicht mal bemerkt dass sie laut wurde, geschweige dem dass sie auf den Tisch geschlagen hatte, so abwesend wirkte sie während sie nach draußen sah.
„Du kennst mich einfach.“ Sagte sie schließlich und sah genervt seufzend wieder zu Abbi.
“Also, was willst du jetzt noch wissen?“
Brooke war leicht überrascht, dass die Wut die sie vorher in Abbis Gesicht gesehen hatte, nun durch Mitleid ersetzt war. Wenn Brooke wählen könnte hätte sie sich lieber für Wut entschieden, denn sie fand es schrecklich wie Abbi mit diesem Blick den Kopf schüttelte.
„Ach Brooke, kannst du nicht endlich mal über sowas reden?“
„Sowas?“ fragte sie stutzig.
„Gefühle, du Maschine.“ Erklärte Abbi näher und verdrehte die Augen.
„Nein.“ Gab Brooke kurz zurück und begann wieder zu Essen um einem folgenden Gespräch zu entgehen.
Abbigail lehnte sich vor und begann in eindringlichem Ton zu sprechen.
„Das ist jetzt fast 16 Jahre her und es ist nicht normal das du Panik-… Nervenzusammenbrüche bekommst, wenn irgendwas mit dem Tod deiner Mutter wieder aufkommt.“
Brooke stockte kurz als Abbi ihre Mutter erwähnte, aß danach jedoch schneller weiter.
„Wie oft muss ich dir denn noch sagen, dass es helfen würde wenn du mit jemandem redest, am besten ja mit einem Profi, aber du kannst ja nicht mal mit mir darüber reden.“
Brooke aß noch hastiger, sodass sie gar nicht antworten konnte, was ja auch ihr Ziel war.
„Okay hör verdammt nochmal auf so zu tun als hörst du mich nicht!“
Gerade als Abbi fluchte, klirrte Brookes gaben auf dem leeren Tellerboden und sie realisierte, dass es keine Ausflüchte mehr gab.
„Ich tu nicht so als hör ich dich nicht ich ignoriere dich einfach! Lern den Unterschied.“
Brooke sah wütend und gleichzeitig traurig, zerrissen zwischen diesen Beiden Extremen, zu ihrer Freundin auf, welche ihr mit mitleidigem Blick eine Serviette reichte.
Auch wenn Abbigail noch so sehr über Brooke fluchen wollte, ihr endlich sagen wollte, dass ihre Macken schrecklich nervig sind, ihre Verplantheit sie schon so einige Nerven gekostet hat, sie eine elende Besserwisserin war und wohl die unausstehlichste Person die Abbi kannte, konnte sie es diesem mit Tomatensauce verschmiertem Gesicht einfach nicht sagen.
Es gab bessere Zeiten um Dampf abzulassen und schon oft genug hatte sie das getan, doch eigentlich hatte sie sich damit abgefunden, denn egal was für eine Idiotin Brooke manchmal war, es gab Gründe warum sie beste Freunde waren.
Brooke biss sich auf die Unterlippe und nahm geschlagen die Serviette entgegen wobei sie Blickkontakt vermied.
„Danke.“ Murmelte sie.
Sie fühlte sich erbärmlich. Sie war ja nicht dumm. Sie wusste, dass sie unendlich dankbar sein konnte, dass Abbi so viel mitmachte, doch konnte sie sich einfach nicht zurück nehmen.
All diese „Macken“, wie Abbi sie nannte, waren viel zu sehr in ihr verankert und sie dachte oft darüber nach, warum Abbi überhaupt mit ihr befreundet war. Oft kam sie zu dem Entschluss, Abbi sei verrückt.
„Tut mir leid.“ Sagte sie schließlich, schüttelte den Kopf und legte die Serviette zusammengeknüllt auf ihren Teller.
Verblüfft sah Abbi Brooke an, die, wie es schien, wirkliche Reue zeigte!
„Das ähm…muss es nicht.“ Stotterte Abbigail, denn sie konnte sich an keine so aufrichtige Entschuldigung erinnern.
„Doch muss es.“ Entschlossen sah Brooke ihr in die Augen, der traurige Blick und das Glänzen in ihren Augen beunruhigten Abbi auf ein komische Art und Weise.
Selten zeigte ihre Freundin solche Emotionen und dieses Glänzen sah man bei ihr nur, wenn sie starker Freude oder Wut empfand und nun lernte Abbi, dass es auch bei …Trauer zu sehen war?
„Ich steh etwas neben mir.“ Murmelte Brooke schließlich und brach den Blickkontakt ab.
Abbi schmunzelte. Das war die Brooke die sie kannte.
„Das ähm…legt sich wieder.“ Erklärte Brooke weiter, während sie versuchte zu verdrängen was gerade passiert war.
Spöttisch lehnte sich Abbi zurück. „Wann? Wenn wir die Labore besuchen? Wohl kaum.“
„Ich weiß.“ Sagte Brooke nun wieder mit klarer Distanziertheit, nahm ihren lockeren braungrünen Mantel zur Hand und vermied es Abbi anzusehen.
„Deswegen komme ich auch nicht mit. Roxy wir wollen bezahlen!“ rief sie schnell und zog sich den Mantel an, in dem sie immer etwas verloren aussah, da er ihr viel zu groß war.
Abbi sah sie mit geweiteten Augen an.
„Bitte was? Spinnst du?! Du versaust dir dein Zeugnis! Dein Abschlusszeugnis, wenn es dir die Lehrer noch nicht oft genug gesagt haben! Als ob DU es in Chemie ausbügeln kannst das Projekt zu schmeißen!“
Brooke stand auf um zu gehen, wobei sie den Anschiss ignorierte. Sie legte Roxy 10 Dollar auf den Tresen, während Abbi sich noch ihren schweren schwarzen Mantel im gehen anzog.
„Ach was versuch ich’s überhaupt? Ich bin Brooke, und ich lass mir von niemanden irgendetwas sagen, weil ich ja immer alles besser kann!“
Sie bemühte sich hinter Brooke hinterher zu kommen, denn diese war schon dabei das Diner zu verlassen.
„Aber weißt du was? Ohne mich wärst du doch schon längst aufgeschmissen gewesen, wegen dem Mist den du machst! Mir geht es hier nicht mal darum, dass ich mich an kaum ein Danke erinnern kann, hier geht es darum, dass du nicht einfach alles deswegen wegwerfen kannst!“
Abbi machte eine Pause in ihrem Redeschwall und erwartete endlich eine Antwort.
„Das ist ja wohl meine Sache.“ War das einzige was Brooke nach hinten murmelte.
Abbi konnte endlich dem schnellen Schritt ihrer Freundin folgen und die beide liefen die Straße nach unten.
„Es war auch meine Sache als ich mit Will zusammen war und trotzdem hast du immer…“
„Ich hatte ja auch an Anfang an Recht oder nicht?!“ unterbrach Brooke sie fluchend und fuhr zu ihr herum.
Abbi blieb abrupt auf dem Gehweg stehen.
Brooke tat dies, sich innerlich ärgernd das Thema angeschnitten zu haben, ebenfalls und ließ den Kopf sinken.
„Okay, ich glaube ich muss mich heute noch für einiges entschuldigen.“ Seufzte sie und schloss kurz die Augen um ihre Gedanken zu ordnen.
Schließlich sah sie wieder zu Abbi auf und es herrschte eine Weile Stille.
„Ich ähm…“ wollte Brooke gerade ansetzen, um die bedrückende Stille auf zu locker. Ohne wirklich zu wissen was sie sagen wollte, doch Abbi nahm ihr das ab.
„Bitte versprich mir, dass du morgen mitkommst.“
„Abbi, ich…“
„Du könntest vielleicht etwas über sie erfahren, was sie so gemach-“
„Ich möchte nichts über sie hören!“
„Warum denn nicht?!“
„Vielleicht weil ich nicht am Tod eine ach so tollen Person schuld sein will?!!“
Brooke sah weg und kniff die Augen zusammen.
Sie hatte es gesagt. Mal wieder… und sie wusste was jetzt kam, doch erst schwieg Abbi geschockt.
„Das ist nicht dein Ernst? Du bildest dir das immer noch ein?“
Brooke versuchte sich zusammen zu reißen, doch sie merkte, dass sie die Tränen nicht lang zurück halten konnte und ihr Stimme klang brüchig, als sie es endlich schaffte den Mund auf zu machen.
„Abbi, mir erzählen Leute immer wie nett sie war, wie- …und wie sehr sie sie vermissen und wegen mir…“
Ihre Stimme brach ab und gerade als ihr die ersten Tränen über die Wangen liefen umarmte sie Abbi.
„Ich möchte sowas NIE wieder von dir hören, verstanden?“
Normalerweise ließ sich Brooke ungern umarmen, es war ihr irgendwie unangenehm und rein aus Gewohnheit wollte sie zu einem dementsprechenden Kommentar ansetzen, aber verkniff es sich.
„Wehe du kommst morgen nicht und versaust dir deine Note. Dein Vater…“
„Ja, ja.“ seufzte Brooke und löste sich aus der Umarmung.
„Nicht ja, ja!“ sagte Abbi ermahnend. „Sowas machst du immer.“
“Sowas?“
„Dieses Ja, ja ist ja selbstverständlich und am Ende hast du einem nicht mal zugehört.“ Erklärte Abbi genervt.
„Warte kannst du das nochmal sagen, ich war gerade in Gedanken.“ sagte Brooke und grinste hämisch. Abbi schlug sie gegen den Arm und die Beiden lachten.
Das Lachen verstummte langsam wieder.
„Soll ich dich noch heimschaffen?“ bot Abbi an.
„Ach ähm ne, das wär ja nur ein Umweg für dich.“
Brooke sah die Straße entlang und bekam den Gedanken nicht aus dem Kopf dass sie gerade vor Abbi geheult hatte.
„Okay dann bis Morgen.“
„Ähm ja, äh bis…morgen.“ Stotterte Brooke und versuchte zu vergessen was gerade passiert war, während Abbi schon auf die andere Straßenseite ging wo sie dann durch den Park abkürzte.
Brooke sah ihr noch eine Weile nach.
„Ach verdammt.“ Murmelte sie.
Warum fällt ihr wöchentliches Essen auch immer auf die unpassendsten Tage?
Sie drehte sich um und zog sich die Kapuze über den Kopf, da der Wind schärfer und kälter wurde.
Bei jedem Schritt versuchte sie die Gedanken in ihrem Kopf in die hintere Kammer zu verdrängen, in der sie sie immer trieb.
Sie würde das alles nicht so schnell vergessen, aber auch nicht damit Leben. Warum musste ihr das auch passieren!
Ihre Augen weiteten sich erschrocken. Wie eigensüchtig war sie denn bitte?
Warum musste das ihrer Mutter passieren ist die Frage. Sie war die t… die nicht mehr da war.
Brooke war das T-Wort leid.
Ihr rasten immer mehr Gedanken durch den Kopf, wie sollte das erst in den Laboren werden?
Sie kniff die Augen zusammen, doch sie hielt es einfach nicht aus und blieb plötzlich fluchend stehen.
„Argh Scheiße!!!“
Kurz darauf realisierte Brooke, dass sie in ihrer Straße angekommen war - in der Öffentlichkeit.
Unsicher warf sie Blicke um sich und entdeckte auf der anderen Straßenseite eine Oma mit Gehhilfe, die sie verstört ansah und schließlich so schnell sie konnte davon schlürft.
Oh man, dachte sie.
Ich habe gerade eine Oma verscheucht…
Seufzend ging sie weiter und war auch schon bald vor ihrem Haus angekommen.
Sie wohnten in einem alten Backsteinhaus an einer Straßenecke. Die untere Etage war eine Bäckerei, aber eine grüne Tür neben den Fensterläden führte über eine Treppe in den zweiten Stock.
Dort lagen zwei Wohnungen, die von Brooke und ihrem Vater und die von Misses Tennant.
Sie kochte manchmal für die Bakers und darüber war Brooke auch sehr froh, da ihre Ernährung ansonsten aus Fertigessen bestand.
Brooke ging nach oben und schloss die Tür auf. Sie betrat die Küche die bei ihnen gleichzeitig eine Art Wohnzimmer darstellte. Ihre Wohnung war extrem klein, aber sie konnten damit Leben, immerhin war ihr Vater jeden Tag auf der Suche nach einem neuen Job. Er half immer aus, wo Arbeit anfiel.
Neben dem kleinen Fernseher auf dem Küchentresen stand eine leere Flasche Bier.
Stimmt, dachte Brooke. Es kam ja heute wieder Eishockey.
Sie hing ihren Mantel an einen der Kleiderhaken neben der Tür und ging dann direkt in ihr Zimmer.
Als sie es betrat, stolperte sie über einen Haufen Klamotten und fiel geradeweg mit dem Gesicht voraus in ihr Bett.
Das räum ich morgen auf log sie sich in Gedanken selbst an und ließ die schwer gewordenen Augenlieder sinken.
Die rote Leuchtschrift von Roxy’s Diner leuchtete flackernd und der Laden war nur noch spärlich beleuchtet, da trotz der späten Stunde zwei Gäste am Tisch vor dem großen Fenster saßen.
Es waren zwei Mädchen. Die eine saß mit verschränkten Armen da und wirke, als würde sie genervt auf etwas warten. Sie sah mit dem glatten braunen Haar weitaus erwachsener aus als die andere und auch ihr restliches Auftreten wirkte deutlich gesetzter, dennoch ließ sie den kritischen Blick nicht von der anderen ab.
Diese sah ungeordneter aus, trug ihr schwarzes Haar zu einem zerzausten Dutt, in dem ein Bleistift steckte und ihre Kleidung sah bequemer aus als die ihrer Begleitung.
Die Schwarzhaarige war noch damit beschäftigt ihre Spagetti zu Essen und wollte so den Blick der anderen entgehen, doch merkte genau wie er auf ihr ruhte und um die unangenehme Stimmung etwas auf zu lockern, entschied sie sich dazu ein Gespräch zu beginnen
„Also die schmecken heute irgendwie anders.“ Sagte sie, während sie noch etwas im Mund hatte, im Plauderton und deutete mit der Gabel auf den Teller. „Als wären die heute mehr gewürzt, vielleicht ha-“
„Redest du gerade ernsthaft über Gewürze?“ unterbrach sie die andere gereizt und hob bedrohlich die Augenbrauen.
„Ähm…“ Sie überlegte kurz, was sie zur Antwort geben sollte und legte die Stirn in Falten. Sie versuchte es mit einem zögerlichem:
„…Nein?“
„Brooke!“ fluchte ihr Gegenüber und ballte die Faust, doch riss sich zusammen nicht auf den Tisch zu schlagen.
Brooke bedauerte es ein Gespräch angefangen zu haben und verdrehte die Augen. Warum macht Abbigail auch so eine Sache daraus?
„Okay was genau ist denn bitte dein Problem?“ fragte Brooke und legte die Gabel beiseite, da ihr der Appetit vergangen war.
„Willst du mich verarschen?“ In solchem Momenten konnte Abbigail Brookes Macke nicht über Persönliches reden zu können kein bisschen ausstehen.
„Musst du mir heute so viele Funfragen stellen?“ gab Brooke gequält zurück und schob ihre Brille nach oben. Als Abbi ein kleines Schmunzeln auf ihrem Gesicht sah, hätte sie es ihr unglaublich gern ausgeprügelt.
„Brooke das ist kein bisschen witzig!“
„Aber was willst du denn hören?!“ Da nun auch Brooke ihre Stimme erhob, lehnte sich Abbi zurück und fuhr sich übers Gesicht. „Du bist deswegen heute umgekippt, also …kannst du bitte einfach darüber reden?“
„Warum!?“
„Weil ich mir vielleicht Sorgen mache!? Flynt sagte du hattest einen Panikanfall als er da-“
„Falsch.“ Unterbrach Brooke sie leise und sah aus dem Fenster.
Abbi verstand nicht was sie meinte. „Was?“ fragte sie scharf.
„Falsch.“ Erklärte Brooke und wand sich wieder zu Abbi. „Es war ein Nervenzusammenbruch, kein Panikanfall.“
Abbi sah sie mit geweiteten Augen und bösem Blick an.
„Nur ein kleiner.“ Erklärte Brooke schnell.
„Das macht es nicht besser!“
Brooke ließ sich genervt gegen die Lehne fallen. „Du kannst dir doch wohl denken was los war.“ Grummelte sie, verschränkte die Arme und sah nach draußen wo der scharfe Wind die Blätter zittern ließ.
Abbi seufzte.
„Also war es wegen dem Chemieausflug?“
„Wegen was den bitte sonst?!“ fragte Brooke gereizt zurück.
„Verdammt, ich kann doch auch nur raten!!“ fauchte Abbi und schlug mit der geballten Faust auf den Tisch.
…
„Quatsch, das war nicht geraten.“ Murmelte Brooke und schüttelte einigen Gedanken nachhängend den Kopf. Abbigail kam es vor als hätte ihre Freundin nicht mal bemerkt dass sie laut wurde, geschweige dem dass sie auf den Tisch geschlagen hatte, so abwesend wirkte sie während sie nach draußen sah.
„Du kennst mich einfach.“ Sagte sie schließlich und sah genervt seufzend wieder zu Abbi.
“Also, was willst du jetzt noch wissen?“
Brooke war leicht überrascht, dass die Wut die sie vorher in Abbis Gesicht gesehen hatte, nun durch Mitleid ersetzt war. Wenn Brooke wählen könnte hätte sie sich lieber für Wut entschieden, denn sie fand es schrecklich wie Abbi mit diesem Blick den Kopf schüttelte.
„Ach Brooke, kannst du nicht endlich mal über sowas reden?“
„Sowas?“ fragte sie stutzig.
„Gefühle, du Maschine.“ Erklärte Abbi näher und verdrehte die Augen.
„Nein.“ Gab Brooke kurz zurück und begann wieder zu Essen um einem folgenden Gespräch zu entgehen.
Abbigail lehnte sich vor und begann in eindringlichem Ton zu sprechen.
„Das ist jetzt fast 16 Jahre her und es ist nicht normal das du Panik-… Nervenzusammenbrüche bekommst, wenn irgendwas mit dem Tod deiner Mutter wieder aufkommt.“
Brooke stockte kurz als Abbi ihre Mutter erwähnte, aß danach jedoch schneller weiter.
„Wie oft muss ich dir denn noch sagen, dass es helfen würde wenn du mit jemandem redest, am besten ja mit einem Profi, aber du kannst ja nicht mal mit mir darüber reden.“
Brooke aß noch hastiger, sodass sie gar nicht antworten konnte, was ja auch ihr Ziel war.
„Okay hör verdammt nochmal auf so zu tun als hörst du mich nicht!“
Gerade als Abbi fluchte, klirrte Brookes gaben auf dem leeren Tellerboden und sie realisierte, dass es keine Ausflüchte mehr gab.
„Ich tu nicht so als hör ich dich nicht ich ignoriere dich einfach! Lern den Unterschied.“
Brooke sah wütend und gleichzeitig traurig, zerrissen zwischen diesen Beiden Extremen, zu ihrer Freundin auf, welche ihr mit mitleidigem Blick eine Serviette reichte.
Auch wenn Abbigail noch so sehr über Brooke fluchen wollte, ihr endlich sagen wollte, dass ihre Macken schrecklich nervig sind, ihre Verplantheit sie schon so einige Nerven gekostet hat, sie eine elende Besserwisserin war und wohl die unausstehlichste Person die Abbi kannte, konnte sie es diesem mit Tomatensauce verschmiertem Gesicht einfach nicht sagen.
Es gab bessere Zeiten um Dampf abzulassen und schon oft genug hatte sie das getan, doch eigentlich hatte sie sich damit abgefunden, denn egal was für eine Idiotin Brooke manchmal war, es gab Gründe warum sie beste Freunde waren.
Brooke biss sich auf die Unterlippe und nahm geschlagen die Serviette entgegen wobei sie Blickkontakt vermied.
„Danke.“ Murmelte sie.
Sie fühlte sich erbärmlich. Sie war ja nicht dumm. Sie wusste, dass sie unendlich dankbar sein konnte, dass Abbi so viel mitmachte, doch konnte sie sich einfach nicht zurück nehmen.
All diese „Macken“, wie Abbi sie nannte, waren viel zu sehr in ihr verankert und sie dachte oft darüber nach, warum Abbi überhaupt mit ihr befreundet war. Oft kam sie zu dem Entschluss, Abbi sei verrückt.
„Tut mir leid.“ Sagte sie schließlich, schüttelte den Kopf und legte die Serviette zusammengeknüllt auf ihren Teller.
Verblüfft sah Abbi Brooke an, die, wie es schien, wirkliche Reue zeigte!
„Das ähm…muss es nicht.“ Stotterte Abbigail, denn sie konnte sich an keine so aufrichtige Entschuldigung erinnern.
„Doch muss es.“ Entschlossen sah Brooke ihr in die Augen, der traurige Blick und das Glänzen in ihren Augen beunruhigten Abbi auf ein komische Art und Weise.
Selten zeigte ihre Freundin solche Emotionen und dieses Glänzen sah man bei ihr nur, wenn sie starker Freude oder Wut empfand und nun lernte Abbi, dass es auch bei …Trauer zu sehen war?
„Ich steh etwas neben mir.“ Murmelte Brooke schließlich und brach den Blickkontakt ab.
Abbi schmunzelte. Das war die Brooke die sie kannte.
„Das ähm…legt sich wieder.“ Erklärte Brooke weiter, während sie versuchte zu verdrängen was gerade passiert war.
Spöttisch lehnte sich Abbi zurück. „Wann? Wenn wir die Labore besuchen? Wohl kaum.“
„Ich weiß.“ Sagte Brooke nun wieder mit klarer Distanziertheit, nahm ihren lockeren braungrünen Mantel zur Hand und vermied es Abbi anzusehen.
„Deswegen komme ich auch nicht mit. Roxy wir wollen bezahlen!“ rief sie schnell und zog sich den Mantel an, in dem sie immer etwas verloren aussah, da er ihr viel zu groß war.
Abbi sah sie mit geweiteten Augen an.
„Bitte was? Spinnst du?! Du versaust dir dein Zeugnis! Dein Abschlusszeugnis, wenn es dir die Lehrer noch nicht oft genug gesagt haben! Als ob DU es in Chemie ausbügeln kannst das Projekt zu schmeißen!“
Brooke stand auf um zu gehen, wobei sie den Anschiss ignorierte. Sie legte Roxy 10 Dollar auf den Tresen, während Abbi sich noch ihren schweren schwarzen Mantel im gehen anzog.
„Ach was versuch ich’s überhaupt? Ich bin Brooke, und ich lass mir von niemanden irgendetwas sagen, weil ich ja immer alles besser kann!“
Sie bemühte sich hinter Brooke hinterher zu kommen, denn diese war schon dabei das Diner zu verlassen.
„Aber weißt du was? Ohne mich wärst du doch schon längst aufgeschmissen gewesen, wegen dem Mist den du machst! Mir geht es hier nicht mal darum, dass ich mich an kaum ein Danke erinnern kann, hier geht es darum, dass du nicht einfach alles deswegen wegwerfen kannst!“
Abbi machte eine Pause in ihrem Redeschwall und erwartete endlich eine Antwort.
„Das ist ja wohl meine Sache.“ War das einzige was Brooke nach hinten murmelte.
Abbi konnte endlich dem schnellen Schritt ihrer Freundin folgen und die beide liefen die Straße nach unten.
„Es war auch meine Sache als ich mit Will zusammen war und trotzdem hast du immer…“
„Ich hatte ja auch an Anfang an Recht oder nicht?!“ unterbrach Brooke sie fluchend und fuhr zu ihr herum.
Abbi blieb abrupt auf dem Gehweg stehen.
Brooke tat dies, sich innerlich ärgernd das Thema angeschnitten zu haben, ebenfalls und ließ den Kopf sinken.
„Okay, ich glaube ich muss mich heute noch für einiges entschuldigen.“ Seufzte sie und schloss kurz die Augen um ihre Gedanken zu ordnen.
Schließlich sah sie wieder zu Abbi auf und es herrschte eine Weile Stille.
„Ich ähm…“ wollte Brooke gerade ansetzen, um die bedrückende Stille auf zu locker. Ohne wirklich zu wissen was sie sagen wollte, doch Abbi nahm ihr das ab.
„Bitte versprich mir, dass du morgen mitkommst.“
„Abbi, ich…“
„Du könntest vielleicht etwas über sie erfahren, was sie so gemach-“
„Ich möchte nichts über sie hören!“
„Warum denn nicht?!“
„Vielleicht weil ich nicht am Tod eine ach so tollen Person schuld sein will?!!“
Brooke sah weg und kniff die Augen zusammen.
Sie hatte es gesagt. Mal wieder… und sie wusste was jetzt kam, doch erst schwieg Abbi geschockt.
„Das ist nicht dein Ernst? Du bildest dir das immer noch ein?“
Brooke versuchte sich zusammen zu reißen, doch sie merkte, dass sie die Tränen nicht lang zurück halten konnte und ihr Stimme klang brüchig, als sie es endlich schaffte den Mund auf zu machen.
„Abbi, mir erzählen Leute immer wie nett sie war, wie- …und wie sehr sie sie vermissen und wegen mir…“
Ihre Stimme brach ab und gerade als ihr die ersten Tränen über die Wangen liefen umarmte sie Abbi.
„Ich möchte sowas NIE wieder von dir hören, verstanden?“
Normalerweise ließ sich Brooke ungern umarmen, es war ihr irgendwie unangenehm und rein aus Gewohnheit wollte sie zu einem dementsprechenden Kommentar ansetzen, aber verkniff es sich.
„Wehe du kommst morgen nicht und versaust dir deine Note. Dein Vater…“
„Ja, ja.“ seufzte Brooke und löste sich aus der Umarmung.
„Nicht ja, ja!“ sagte Abbi ermahnend. „Sowas machst du immer.“
“Sowas?“
„Dieses Ja, ja ist ja selbstverständlich und am Ende hast du einem nicht mal zugehört.“ Erklärte Abbi genervt.
„Warte kannst du das nochmal sagen, ich war gerade in Gedanken.“ sagte Brooke und grinste hämisch. Abbi schlug sie gegen den Arm und die Beiden lachten.
Das Lachen verstummte langsam wieder.
„Soll ich dich noch heimschaffen?“ bot Abbi an.
„Ach ähm ne, das wär ja nur ein Umweg für dich.“
Brooke sah die Straße entlang und bekam den Gedanken nicht aus dem Kopf dass sie gerade vor Abbi geheult hatte.
„Okay dann bis Morgen.“
„Ähm ja, äh bis…morgen.“ Stotterte Brooke und versuchte zu vergessen was gerade passiert war, während Abbi schon auf die andere Straßenseite ging wo sie dann durch den Park abkürzte.
Brooke sah ihr noch eine Weile nach.
„Ach verdammt.“ Murmelte sie.
Warum fällt ihr wöchentliches Essen auch immer auf die unpassendsten Tage?
Sie drehte sich um und zog sich die Kapuze über den Kopf, da der Wind schärfer und kälter wurde.
Bei jedem Schritt versuchte sie die Gedanken in ihrem Kopf in die hintere Kammer zu verdrängen, in der sie sie immer trieb.
Sie würde das alles nicht so schnell vergessen, aber auch nicht damit Leben. Warum musste ihr das auch passieren!
Ihre Augen weiteten sich erschrocken. Wie eigensüchtig war sie denn bitte?
Warum musste das ihrer Mutter passieren ist die Frage. Sie war die t… die nicht mehr da war.
Brooke war das T-Wort leid.
Ihr rasten immer mehr Gedanken durch den Kopf, wie sollte das erst in den Laboren werden?
Sie kniff die Augen zusammen, doch sie hielt es einfach nicht aus und blieb plötzlich fluchend stehen.
„Argh Scheiße!!!“
Kurz darauf realisierte Brooke, dass sie in ihrer Straße angekommen war - in der Öffentlichkeit.
Unsicher warf sie Blicke um sich und entdeckte auf der anderen Straßenseite eine Oma mit Gehhilfe, die sie verstört ansah und schließlich so schnell sie konnte davon schlürft.
Oh man, dachte sie.
Ich habe gerade eine Oma verscheucht…
Seufzend ging sie weiter und war auch schon bald vor ihrem Haus angekommen.
Sie wohnten in einem alten Backsteinhaus an einer Straßenecke. Die untere Etage war eine Bäckerei, aber eine grüne Tür neben den Fensterläden führte über eine Treppe in den zweiten Stock.
Dort lagen zwei Wohnungen, die von Brooke und ihrem Vater und die von Misses Tennant.
Sie kochte manchmal für die Bakers und darüber war Brooke auch sehr froh, da ihre Ernährung ansonsten aus Fertigessen bestand.
Brooke ging nach oben und schloss die Tür auf. Sie betrat die Küche die bei ihnen gleichzeitig eine Art Wohnzimmer darstellte. Ihre Wohnung war extrem klein, aber sie konnten damit Leben, immerhin war ihr Vater jeden Tag auf der Suche nach einem neuen Job. Er half immer aus, wo Arbeit anfiel.
Neben dem kleinen Fernseher auf dem Küchentresen stand eine leere Flasche Bier.
Stimmt, dachte Brooke. Es kam ja heute wieder Eishockey.
Sie hing ihren Mantel an einen der Kleiderhaken neben der Tür und ging dann direkt in ihr Zimmer.
Als sie es betrat, stolperte sie über einen Haufen Klamotten und fiel geradeweg mit dem Gesicht voraus in ihr Bett.
Das räum ich morgen auf log sie sich in Gedanken selbst an und ließ die schwer gewordenen Augenlieder sinken.
-ED